Eine Reise durch Klang und Zeit
Zum Abschluss der Französischen Wochen verwandelte sich die gut besuchte Stadtbuchhandlung Biberach in einen Ort der Lyrik.
Der Valence-Ausschuss im Verein Städte Partner Biberach e.V. (StäPa) und das Team der Stadtbuchhandlung boten dort eine besondere Lesung, unterstützt vom Deutsch-Französischen Bürgerfonds.
Brigitte Burrichter, Vorsitzende des Valence-Ausschusses im StäPa, las die französischen Fassungen der Gedichte, während Theaterregisseurin und Buchhändlerin Corinna Palm die deutschen Versionen vorlas.
Gemeinsam führten sie das Publikum chronologisch durch zehn Werke vom Spätmittelalter bis ins 20. Jahrhundert – eine literarische Reise, die Brücken zwischen zwei Kulturen schlug.
Ebenfalls sorgte das Team der Stadtbuchhandlung mit Wein und weiteren Getränken für die passende leibliche Begleitung.
Im Vordergrund des Abends stand der Klang der französischen Sprache, der in den Gedichten wie eine „musique naturelle“ wirkte. Brigitte Burrichter spiegelte diesen Klang allein durch ihre Stimme wider – mal flüsternd, mal laut, mal schnell oder langsam.
Durch die Vielfalt ihrer Stimmlage gelang es ihr, Inhalt und Stimmung der Gedichte eindrucksvoll zu transportieren.
Corinna Palm hingegen unterstützte die Texte mit Gestik, Körpersprache und Gesichtsausdruck, wodurch sie etwas Bildliches und Szenisches erhielten, fast schon Theatralisches. Beide sorgten zudem mit kleinen humorvollen Momenten für Lacher im Publikum und lockerten die Atmosphäre spürbar auf.
Die Gedichte entfalteten eine große emotionale Bandbreite: Villons „Ballade des Dames du temps jadis“ aus dem „Grand Testament“ thematisierte die Vergänglichkeit und Erinnerung, während Ronsards „Les Amours de Cassandre“ die Süße der Liebe in den Mittelpunkt stellte. Im 17. und 18. Jahrhundert trat die französische Lyrik eher in den Hintergrund, weshalb Burrichter und Palm Goethes „Erlkönig“ in deutscher und französischer Version vortrugen, dessen düstere Spannung eindringlich wirkte. Weg vom dunklen Moor führten Burrichter und Palm das Publikum mit Baudelaires „À une passante“ in die überlaufene Großstadt und ließen die Sehnsucht einer flüchtigen Begegnung spürbar werden. Besonders eindrucksvoll war Rimbauds „Le Dormeur du Val (Der Schläfer im Tal)“: Palm erzählte die deutsche Version angespannt und beklemmend, während Burrichter die französische Fassung zunächst friedlich und melancholisch begann, bevor ein plötzlicher Umschwung mit dem Schuss tödliche Stille erzeugte. Ophélie, die tragische Figur aus Shakespeares Hamlet, zeichnete ein melodisches, trauriges Bild voller Vergänglichkeit. Mallarmés „Sonnet en X“ wirkte kunstvoll und expressiv, Apollinaires „Nuit Rhénane“ brachte das Rätselhafte seiner Reise zum Rhein zum Ausdruck, und schließlich verdeutlichte Préverts „Pater Noster“ eindringlich die Schrecken des Zweiten Weltkriegs.
Die kleine Bühne mit Sesseln, weihnachtlicher Dekoration, Kaminfeuer und Bücherregal verlieh dem Abend eine gemütliche, ruhige und entspannte Stimmung.
In dieser intimen Runde wurde die französische Kultur nähergebracht, die Geschichte der Lyrik Frankreichs erlebbar gemacht, die Gedankengänge und Lebensverhältnisse der Franzosen veranschaulicht und die deutsch-französische Freundschaft gefeiert.
Ein inspirierender Abend, der zeigte, wie Sprache und Klang Emotionen wecken, Bilder entstehen lassen und Kulturen verbinden können.



Text: Selina Schmid
Fotos: StäPa
