Sunset Balcony – Herzliche Grüße aus Balkonien, eure Laura

Un temps fort des semaines françaises

Einen Höhepunkt der französischen Wochen bildete das vom deutsch-französischen Bürgerfonds großzügig geförderte Konzert mit dem deutsch-französischen „Laura Kipp Quartett“, organisiert vom Biberacher Jazzclub in Kooperation mit dem Verein „Städte Partner Biberach e.V.“ im proppenvollen Jazzkeller. Die Live-Präsentation der Songs ihrer neuesten in Paris entstandenen CD „Sunset Balcony“, überwiegend komponiert vom „singenden“ Bassisten Jens Loh und mit Lyrics versehen von Laura Kipp, überzeugte fast noch mehr als ihr gefeiertes Debutalbum „Laura Quiet Land“ aus dem Jahr 2022. Ein eingespieltes Team, neben Jens Loh komplettiert mit Lauras französischem Kollegen William Lecomte am Klavier und Eckhard Stromer am Schlagzeug bot eine reife, durch vier eigenständige und völlig gleichberechtigte Individuen wie aus einem Guss erbrachte Leistung.

Die Struktur der Kompositionen und deren musikalischer Ausdruck, mit viel Sachverstand und Empathie erfasst, verinnerlicht und geadelt durch eine überaus zutreffende Übersetzung in gesungene Sprache, wurde geradezu plastisch erfahrbar in der gemeinsamen Interpretation. Eine knappe Erläuterung der Stücke durch die, auch hinsichtlich ihrer Bühnenpräsenz deutlich gereifte, junge Sängerin, ermöglichte gleichermaßen sinnerfülltes Hören und anspruchsvolle Unterhaltung. Rauschender Beifall, Szenenapplaus und anerkennende Zurufe motivierten die Künstler und stachelten sie, besonders in den teilweise unglaublich virtuosen und leidenschaftlichen Solo-Improvisationen, immer wieder zu Höchstleistungen an. Eine gute Raumakustik und ein hochkonzentriertes, mucksmäuschenstilles Publikum inspirierte etwa Eckhard Stromer zu einer Schlagzeug-Improvisation, die im feinsten Pianississimo noch das leichte rhythmische Reiben eines Fingers auf dem Fell der Trommel, vergleichbar dem Fallen einer Stecknadel, musikalisch verwertbar machte. Am anderen Ende der dynamischen Skala übertönte er dann aber gelegentlich sogar seine elektronisch verstärkten Mitmusiker.

Fotos: Helmut Schönecker

Im Gedächtnis blieben besonders Stücke mit so pittoresken Titeln wie „Johnny, the Fly“, „Jardin de Luxembourg“ oder „Bartender“. War es hier der nervöse Funky-Rhythmus, da ein entspanntes Swingfeeling und dort eine von Laura komponierte, tiefenentspannte Blues-Ballade, die den Geschichten eines lebenserfahrenen Barkeepers lauschen lässt, gab es aber auch lockeren Latin Jazz mit fast beiläufig wirkenden Scatsilben und ausgebufften Klavierimprovisationen des eigens aus Kuwait angereisten Pianisten William Lecomte. Die in Singer-Songwriter-Manier im Duo aus Gesang und dem, hier auch mal die Gitarre spielenden Jens Loh, vorgestellten Titel boten nicht nur klangliche Abwechslung, ihre innige Interaktion ging auch unmittelbar zu Herzen. Andere Titel, wie „Oh, I Could Write A Book“ oder der Titelsong der CD „Sunset Balcony“ blieben wegen ihrer beinahe schlagerhaften Melodien oder ihres hymnischen Pop-Charakters im Gedächtnis haften.

Eine weitere tiefsinnige Eigenkomposition von Laura Kipp, „Promise Me“, beschloss den offiziellen Teil, die Zugabe „Mr. P’s Blues“ als Hommage an Jens Lohs Sohn Phileas, bediente explizit auch die Fans des traditionelleren, blueslastigen Jazz. Dieses Vintage-Feeling schien aber auch den Künstlern sichtlich und hörbar Spaß zu bereiten, freche, witzige, skurrile Improvisationen, augenzwinkernd dargeboten, rundeten ein außergewöhnliches Konzert stilecht ab und eröffneten den autogrammatisch geprägten und vorweihnachtlich inspirierten CD-Verkauf.

Text: Helmut Schönecker
Fotos: Helmut Schönecker, Hans-Bernd Sick